Ein wahres Schatzkästchen unter den Pflegeflächen des NABUs ist das „Tal der wilden Blumen“.
Recht verborgen zwischen der Seehalde und dem Hochdorfer Bahnhof verbirgt sich ein eiszeitliches Trockental. Schmelzwässer, die diese Form einst geschaffen haben, fließen hier
heute nicht mehr. Dem Lauf des heute trockenen Bachbetts folgend kann man aber erkennen, dass das Wasser vormals in Richtung Ortseingang Eutingen und dann in etwa der Daimlerstraße folgend ins
Eutinger Tal entwässert hat.
Empfehlung:
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Im Krotental finden wir eine besondere topografische Situation vor. Der vom NABU gepflegte Hang ist nach Norden exponiert. Auch dieses Areal wird vom NABU entmagert, d. h. gemäht, und die Mahd wird abgerecht.
Dieses Foto, bewusst bei tief stehender Sonne und im Gegenlicht fotografiert, zeigt, dass der Hang deutlich weniger den Sonnenstrahlen ausgesetzt ist als Seehalde und Hundsbühl. Weniger Verdunstung bedeutet mehr pflanzenverfügbares Wasser. Daher versuchen nicht nur Sträucher, z. B. Hartriegel und Schneeball, sondern sogar Bäume, wie Eiche und Walnuss, hier zu gedeihen. Allerdings kommen sie unter die Freischneider des NABUs, da dieser Hang offen gehalten werden soll, um seltenen Pflanzen weiterhin Lebensraum zu geben.
Das Drohnenfoto zeigt die Vielfältigkeit des Hangs. An den Böschungen steht in den beschatteten Bereichen mehr Wasser zur Verfügung als auf den flachen Abschnitten. Daher versuchen dort die Sträucher und auch die Bäume die Oberhand zu gewinnen.
Besonders hervorzuheben ist ein kleiner Bestand von Kuhschellen, auch Küchenschellen genannt, an der Westflanke des Hanges. Die halb geschlossenen Blüten erinnern an Kuhglocken, worauf man den Namen zurückführen kann.
Am 3. März bilden die Kuhschellen regelrecht einen kleinen Blütenteppich aus …
… und die Blüten liefern schon reichlich Nektar und Pollen.
Und wunderschön …
… sind sie außerdem!
Wer diese Pflanze in größerer Anzahl erleben möchte, dem sei eine Wanderung durch den Kochartgraben bei Reusten empfohlen. Dort gibt es einen noch größeren Bestand dieser schönen Pflanze. Da ihre Wurzeln bis in
1,50 m Tiefe reichen, kann sie sich auch an sehr trockenen Standorten mit Wasser versorgen, was auf den Felsen dort der Fall ist. Auch die auffällige Behaarung der Pflanze schützt sie vor Verdunstung. Ihre Blütezeit beginnt bereits im März, so dass sie in dieser blütenarmen Zeit eine hervorragende Nahrungsquelle für Insekten ist. Die Blüte produziert nämlich reichlich Pollen und Nektar und hat einen angenehmen, starken Duft. Ihre Samen haben am Fruchtstand ähnliche Segel wie Pusteblume oder Klematis, mit deren Hilfe sie mit dem Wind fortgetragen werden können. Im September 2024 gab es eine Herbstblüte von zwei Pflanzen.
Eine Herbstblüte der Kuhschelle am 24. September.
Ein kleiner Netzflügler ist happy.
Im Frühjahr konnten wir etwa 140 Exemplare zählen, am 24. September waren es nur zwei, die aber auch Samen im Reifestadium hervorbrachten.
Am 1. Mai steht die Schlüsselblume in voller Blüte.
Im Mai zeigen sich weitere Raritäten im Krotental. Die früher weit verbreitete Echte Schlüsselblume, oder auch Wiesenprimel, verträgt keine Düngergaben. Daher ist sie inzwischen leider von vielen Wiesen verschwunden. Ihren Namen hat dieser Frühlingsbote erhalten, weil die Anordnung ihrer Blüten an ein Schlüsselbund erinnert. Man kann sie gut von ihrer Verwandten, der Hohen oder Waldschlüsselblume, unterscheiden, da sie kleinere, dottergelbe Blüten hat.
Anfang Mai kann man hier auch das Helm-Knabenkraut entdecken. Der Name der Knabenkräuter ist darauf zurückzuführen, dass jede Pflanze zwei Wurzelknollen hat, die ein wenig Ähnlichkeit mit menschlichen Hoden haben. Nur die Knollen überwintern im Boden und haben damit eine ähnliche Funktion wie Zwiebeln bei anderen Pflanzenarten. Viele Orchideenarten bilden Lebensgemeinschaften mit Bodenpilzen. Fehlen diese Pilze, kommen angeflogene Orchideensamen nicht zur Entwicklung. Die Samen des Helm-Knabenkrauts sind nämlich fast staubfein und werden vom Wind verteilt.
Ebenfalls am 1. Mai schiebt das Helm-Knabenkraut seine Blüte dem Licht entgegen.
Die Einzelblüten erinnern an ein Männlein mit einem Helm – namensgebend.
Während das Helm-Knabenkraut aufblüht, bilden die Blüten der Kuhschellen bereits Samen aus.
Das Zweiblatt ist am 29. Mai voll aufgeblüht, ist aber im Gras kaum zu entdecken.
Das Zweiblatt ist im Krotental die unauffälligste Orchideenart. Seine beiden bodenständigen Blätter erinnern stark an den Breitwegerich und sind im Bewuchs nur schwer zu entdecken. Zur Blütezeit entwickelt die Pflanze einen unauffälligen Blütenstand mit recht vielen, aber ebenfalls unauffälligen Einzelblüten. Der Blütenstängel ist mit klebrigen Drüsenhaaren besetzt, die Insekten daran hindern sollen, den Blütenstängel hinaufzusteigen, vgl. Waldhyazinthe. Die kleinen Einzelblüten bilden reichlich Nektar. An ihnen befinden sich kleine Sensoren, die ein saugendes Insekt mit einem Tröpfchen klebrigen Sekrets beschießen, an dem ihre Pollen kleben bleiben. Sofort verschließt sich die Blüte für einige Zeit, damit sie von dem Insekt nicht mit ihrem eigenen Pollen bestäubt wird.
Der Blütenduft der Grünlichen Waldhyazinthe lockt in der Dämmerung Nachtfalter an, die für die Bestäubung der Blüten sorgen. Dieser Duft hat ihr wohl den Namen Hyazinthe
eingebracht. Im Halbschatten einer Kiefer hält sich im kurzen Gras seit ein paar Jahren ein kräftiges Exemplar dieser mehrjährigen Pflanze, das in den letzten Jahren anscheinend für Verbreitung
gesorgt hat. 2024 konnten wir erstmals vier Exemplare sichten. Im April zeigen sich zwei grundständige Blätter und im Mai entwickelt sich die Blütenknospe.
Es ist immer wieder faszinierend, wie selbst kleinste Lebensräume – in diesem Fall eine Blüte – vielen Tierarten eine Heimat geben. An einer Blüte hatte sich eine Kolonie von Blattläusen
niedergelassen, die von Ameisen gepflegt wurden. Während die Blattläuse der Orchidee Pflanzensäfte entziehen, melken die Ameisen die Blattläuse förmlich ab. Sie sammeln ein süßliches Sekret, dass
die Blattläuse ausscheiden. Die Ameisen profitieren vom Sekret, die Blattläuse genießen den Schutz der Ameisen. Wir sehen hier also ein Paradebeispiel einer Symbiose.
Die Grünliche Waldhyazinthe wurde zur Orchidee des Jahres 2025 gekürt.
Am 1. Mai sind bei der Waldhyazinthe gerade erst die beiden Blätter und die Blütenknospe zu sehen.
Am 29. Mai ist die Blüte der Waldhyazinthe fast fertig entwickelt, …
… hat aber mit Befall von Blattläusen zu kämpfen.
Das Weiße Waldvöglein ist noch relativ häufig anzutreffen. Nicht nur hier im Krotental, sondern z. B. auch von Weitingen aus den Neckartalhang hinunter kann man im Wald zahlreiche Exemplare sichten. Viele Pflanzenarten geben ihren Früchten reichlich Nährgewebe für die Entwicklung des Keimlings mit. Denken wir nur an Eicheln und Kastanien. Das ist bei dieser Orchidee nicht so. Der durch Wind verbreitete, winzige Samen keimt nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz, den sie auch als entwickelte Pflanze als Wirt nutzt. Sie lebt also teilweise parasitisch, obwohl sie über ihr Blattgrün auch Photosynthese zur Energiegewinnung betreibt. Ihren Standortansprüchen entsprechend, finden wir diese Art am Saum des kleinen Wäldchens am Westrand des Krotentals.
Der Fichtenspargel ist am 11. Juni nur einer von vielen.
Einen Parasiten, auch Schmarotzer genannt, finden wir im Krotental auch: den Fichtenspargel. Er hat kein Blattgrün und ernährt sich vollständig von seinem Wirtspilz. Da dieser in Kontakt mit Baumwurzeln steht, in diesem Fall einer großen Kiefer, ernährt diese den Fichtenspargel über ihre Photosyntheseleistung mit. Unter der genannten Kiefer konnten wir zahlreiche Exemplare sichten.
Über die Vermehrung der Bienen-Ragwurz gehen die Meinungen in der Fachliteratur auseinander. Einerseits wird davon berichtet, dass die Blüte der Bienen-Ragwurz optisch eine weibliche Biene nachahmt, was Männchen von Wildbienenarten anlockt, die beim Besuch der Blüte Pollen mitnehmen und so für die Verbreitung der Art sorgen. Andererseits wird von überwiegender Selbstbestäubung gesprochen. Beim Auftreten gibt es starke Schwankungen. Im regenreichen Jahr 2024 haben wir auf dem NABU-Gelände rund 400 Exemplare zählen können! Anscheinend war es klimatisch ein gutes Jahr für diese Art, sodass wir im Krotental ein gutes Dutzend Pflanzen gesichtet haben.
Die Blüten der Bienen-Ragwurz sind recht auffällig und sollen im Aussehen einer Biene ähneln.
Die Mücken-Händelwurz hat auf der unteren Wiese ihren idealen Standort gefunden. Sie wächst hier fast deckungsgleich mit der Kuhschelle. Sie schiebt einen recht schlanken Blütenstand in die Höhe. Durch einen fadenförmigen, abwärtsgebogenen Sporn an der Einzelblüte kann man sie gut von anderen Orchideenarten unterscheiden. Die Blüten produzieren reichlich Nektar. Ihren Namen hat die Pflanze wohl vom Aussehen ihrer Knolle, die handförmig geteilt ist. Sie ist die Orchidee des Jahres 2024.
Ein sehr schlanker Blütenstand, so startet die Mücken-Händelwurz am 11. Juni.
Wenn sich die Einzelblüten öffnen, kann man sehr gut den charakteristischen Blütensporn entdecken.
Am 22. Juli ist die Mücken-Händelwurz fast verblüht. Samenansätze sind schon gut zu erkennen.
Die Braunrote Stendelwurz scheint im Krotental neu aufzutreten. Höchstwahrscheinlich liegt das auch am regenreichen Jahr 2024. Wir kennen einen stabilen Bestand am Gleisdreieck, was eigentlich eher ihren Standortansprüchen entgegenkommt. Doch was diese Art, die Dünen besiedelt, oder Gleiskörper – wie am Gleisdreieck – ins Krotental verschlagen hat, bleibt uns Laien ein Rätsel. Sie gilt als Pionierart, die bevorzugt Brachland, Bahndämme, Halden und Dünen besiedelt. Ihr Auftreten auf Dünen und der bei warmen Wetter von ihr ausgeströmte intensive Vanilleduft haben ihr auch den Beinamen „Strandvanille“ eingebracht. Sie ist ein Kiefernbegleiter und deswegen gerade hier, unter der großen Kiefer, zu sichten.
Klein, aber wunderschön, …
… zeigt die Braunrote Stendelwurz am 11. Juli ihre Blüten.
Das Affenknabenkraut steht am 18. Mai in voller Blüte.
Eine herausragende Rarität hat sich in der Nähe des Krotentals auch gezeigt. Das Affen-Knabenkraut kommt eigentlich nur jenseits der Burgundischen Pforte vor. Die Blüten einer Ähre vermitteln tatsächlich den Eindruck einer Schar rosaroter, tanzender Äffchen. Die Art kommt hauptsächlich im Mittelmeerraum vor. Doch die klimatischen Änderungen führen – wie bei anderen Tier- und Pflanzenarten – dazu, dass zunächst einzelne Exemplare in unserer Region auftreten. Leider ist das Exemplar am Fundort zwei Jahre hintereinander dem Mäher zum Opfer gefallen. Wir werden versuchen, das Exemplar durch Schutzmaßnahmen zu erhalten.
Im Spätsommer öffnet eine weitere botanische Rarität im Krotental ihre Blüten: der Gefranste Enzian. Diese zwei- oder mehrjährige Pflanze konnten wir bereits einige Jahre am
Standort sichten und sind bemüht, bei den Mäharbeiten die Pflanzen zu schonen. Die Art bevorzugt halbschattige Standorte, daher konnten wir sie nur hier und nicht auf den stark
besonnten Flächen von Seehalde und Hundsbühl sichten.
Uwe hat in 2024 ein Exemplar zwischen Eutingen und Bildechingen gefunden, und zwar auch an einer eher schattigen Böschung. Die Blüten sind für Insekten extrem anziehend, da ihre dunkelblaue Farbe
das UV-Licht der Sonne stark reflektiert und sie einen starken Veilchenduft ausströmen. Gerade im Spätsommer ist die Blütezeit vieler Wildkräuter vorbei, so dass
der Enzian für die Insektenwelt sehr wertvoll ist.
Blau♬, blau♫, blau♪ blüht der Enzian♩♫ am 24. September.
Deutlich kann man an der Blüte die namensgebenden Fransen erkennen.
Auch die Silberdistel gedeiht im Krotental. Wer sich über die Art näher informieren möchte, besuche bitte unsere Seite zur Seehalde.
Ein echtes Schmuckstück im Spätsommer: die Blüten der Silberdistel am 25. August sind in dieser Zeit eine wertvolle Nektarquelle für die Insekten.
Eine weitere Besonderheit sind im Krotental einige Habitatbäume. Dabei handelt es sich um Alt- oder Totholz, das zahlreichen Tierarten einen Lebensraum gibt. Ein alter Kirschbaum, der kaum noch Lebenskraft hat, aber nicht aufgibt, beherbergt im unteren Stammabschnitt ein Volk der Waldameise, während im oberen Bereich ein Hornissenvolk eine Heimat gefunden hat.
Auch Totholz spielt im Krotental eine große Rolle. Beim Beginn der Pflegemaßnahmen durch den NABU wurden einige große Bäume gefällt, um den Hang stärker zu belichten. Die Baumstubben verblieben im Boden und bieten damit vielen Insekten Lebensraum. So ist z. B. der seltene Hirschkäfer auf vermoderndes Eichenholz im Boden angewiesen. Denn nur dort legt das Weibchen seine Eier ab, die sich in mehreren Jahren von der Larve zum fertigen Käfer entwickeln. Die Insekten haben diese Lebensräume dankbar angenommen, was die Menge an Sägemehl an den Stubben belegt.
© für alle Fotos und Texte: Klaus Feske/ www.geoclick.de